Pressefahrt nach Hallstatt: 7.000 Jahre Salz – oder doch noch älter? Sedimentschichten am Boden des Hallstätter Sees geben Einblicke in die älteste Kulturlandschaft

07. Mai 2021
Das interdisziplinäre Hipercori(n)g-Hallstatt-History (H3)-Projekt bringt auf dem Hallstätter See eine neu entwickelte Bohrplattform zum Einsatz. Das internationale Team aus Forscher*innen der Universität Innsbruck, des Naturhistorischen Museums Wien, des Geoforschungszentrums Potsdam und der Universität Bern möchte die Klima- und Umweltgeschichte des Inneren Salzkammerguts über die letzten 10.000 bis 12.000 Jahre erschließen.
Hierzu müssen in über 100 Metern Wassertiefe Sedimentbohrkerne von mindestens 40 Metern Länge entnommen werden. Diese Bohrtiefe war bislang nicht erreichbar, kann nun aber mit einer neuen entwickelten Bohrvorrichtung sogar überschritten werden.
Die neuartige Bohrplattform "Hipercorig", die von der österreichischen Firma Uwitec entwickelt wurde und von Fraunhofer IEG betrieben wird, wurde bereits im Mondsee und Bodensee erfolgreich getestet und kommt nun im Hallstätter See zum Einsatz.
Ziel des H3-Projekts ist es, die komplette Sedimentabfolge im Hallstätter See, die sich seit dem Rückzug des Traun-Gletschers im See abgelagert hat, zu erbohren. Die 6-wöchige Bohrkampagne startete Mitte April 2021. Im Vorfeld der Bohrungen wurden seismische Vermessungen des Seebodens durchgeführt, um die idealen Bohrstellen zu identifizieren.
Durch mindestens 7.000 Jahren Salzproduktion, von der Steinzeit bis heute, entstand rund um den Hallstätter Salzberg die älteste Kulturlandschaft der Welt, in der immer noch produziert wird. Diese einzigartige Salzgeschichte war hauptverantwortlich für die Ernennung zum UNESCO Weltkulturerbe.

Einladung zu einer Pressefahrt vom NHM Wien nach Hallstatt (OÖ) am Dienstag, 18. Mai 2021:

  • 07.15 Uhr: Abfahrt mit dem Bus, 1010 Wien, Burgring 7
  • 11.00 Uhr: Pressegespräch im Kultur- und Kongresszentrum der Marktgemeinde Hallstatt, Seestraße 158, 4830 Hallstatt
 
Mit:
Alexander Scheutz, Bürgermeister von Hallstatt
Dr. Katrin Vohland, Generaldirektorin NHM Wien
Univ.-Prof. Dr. Michael Strasser, Universität Innsbruck
Dr. Kerstin Kowarik, NHM Wien
HR Dr. Anton Kern, NHM Wien
Univ.-Prof. Dr. Werner Piller und Dr. Günter Köck, ÖAW
Dipl.-Ing. Volker Wittig, Fraunhofer IEG
Dr. Peter Untersperger, CEO Salinen Austria AG
Mag. Barbara Winkelbauer und Kurt Reiter, Salzwelten GmbH
 
  • Anschließend Expert*innengespräche, Bootsfahrt, Besichtigung der Bohrplattform am See und Picknick im Freien
  • 15.00 Uhr: Werksbesichtigung der Salinen Austria AG in Ebensee
  • Ca. 17.00 Uhr: Abfahrt des Busses nach Wien
 
Bitte beachten Sie, dass die Teilnahme nur mit einem negativen COVID-19 Test möglich ist (max. 48 Stunden alt). Auf Grund der COVID-19-Verordnung der Bundesregierung ist die Platzanzahl im Presse-Bus zudem auf 15 Personen limitiert. Wir bitten Sie daher, sich im Vorfeld per E-Mail anzumelden. Die Reservierungen werden nach Maßgabe der Plätze vergeben. Auf entsprechenden Abstand zwischen den Sitzplätzen wird selbstverständlich geachtet, während der Busfahrten, des Pressegesprächs und der Werksbesichtigung besteht FFP2-Maskenpflicht (ohne Ventil).
 
Wir bitten um verbindliche Anmeldung bis Freitag, den 14. Mai unter presse@nhm-wien.ac.at (Achtung: beschränkte Teilnehmer*innenzahl!).

 
Interdisziplinäre und internationale Forschung
Ein derartig komplexes und wissenschaftlich wie technisch anspruchsvolles Projekt ist nur unter der Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen und Institutionen möglich. Das sechsköpfige Leitungsteam mit Expert*innen aus führenden wissenschaftlichen Institutionen Österreichs, Deutschlands und der Schweiz bringt Expertise von Archäologie bis Paläoklimatologie zusammen:
M. Strasser (Gesamtleitung, Sedimentgeologie und Naturgefahren, Univ. Innsbruck); K. Kowarik (Human Impact & Archäologie, NHMW), H. Reschreiter (Archäologie, NHMW), A. Brauer (Klimadynamik und Landschaftsentwicklung, GFZ Potsdam), F. Anselmetti und S. Fabbri (Quartärgeologie und Paläoklimatologie, Univ. Bern).
 
Hallstattforschung des Naturhistorischen Museums Wien
Der Fundort Hallstatt in Oberösterreich wird von der Prähistorischen Abteilung des NHM Wien seit über 100 Jahren in Kooperation mit der Salinen Austria AG und den Salzwelten erforscht.
In der archäologischen Welt ist dieser Ort im Dachsteingebirge vor allem durch Funde aus einem Gräberfeld der älteren Eisenzeit berühmt, die Hallstatt namengebend für eine Epoche in ganz Europa werden ließen.
Neben dem Gräberfeld mit seinen außergewöhnlich reichen Grabbeigaben sind inzwischen auch die Funde aus den prähistorischen Bergwerken weltweit bekannt, die Dank der Erhaltungsbedingungen im Salzberg ein außergewöhnlich breites Spektrum umfassen. Im Jahr 2011 führte ein internationales Forscherteam erstmals eine Seekernbohrungen im Hallstätter See durch, um umfassende Erkenntnisse über prähistorische Klima- und Umweltverhältnisse aus den erbohrten Seesedimenten zu gewinnen.
 
Mensch und Umwelt
Ziel der Forscherinnen und Forscher ist es, ein genaues Bild der Umweltbedingungen in der Vergangenheit zu gewinnen und die Wechselwirkungen zwischen Menschen und Umwelt über einen langen Zeitraum zu studieren. Dabei interessiert ein Abschnitt besonders, die Spanne zwischen 2.000 v. Chr. und der Zeitenwende. In dieser Zeit erfährt das Salzkammergut durch den prähistorischen Salzbergbau in Hallstatt einen echten Wirtschaftsboom. Es ist aber auch die Zeit bedeutender Klimaschwankungen. Wesentlich für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist die Frage, welchen Einfluss die daraus folgenden Umweltveränderungen auf die Menschen und ihr Wirtschaftssystem in dieser alpinen Region hatten.
 
Wirtschaftsraum
Der Wirtschaftsraum Hallstatt wird im Rahmen mehrerer Projekte an der Prähistorischen Abteilung des NHM Wien erforscht. Sie beschäftigt sich mit der Frage, was diese Wirtschaftsstruktur benötigte, um zu funktionieren, und wie die einzelnen Bedarfe (z. B. Betriebsmittel, Arbeits- und Lebensmittel) gedeckt werden konnten. Dazu wird neben dem Ort Hallstatt vor allem auch das Umland mithilfe von landschafts- und umweltarchäologischen Methoden sowie durch Computersimulationen erforscht. Zu den landschaftsarchäologischen Aspekten gehört unter anderem die Erforschung von landwirtschaftlichen Siedlungen, Wegesystemen und potentiellen Knotenpunkten für Handel und Versorgung, die mithilfe eines Geoinformationssystems kartiert und ausgewertet werden können. Die Umweltarchäologie erschließt verschiedene Archive im Boden, wie z. B. Moore oder Seeschlamm. Hierdurch können Informationen über vergangene Umweltbedingungen und Einflüsse, die der Mensch ausgeübt hat gewonnen werden. Zum besseren Verständnis des komplexen Wirtschaftssystems und dessen Vernetzung mit seiner Umwelt nutzt die Prähistorische Abteilung als eine der ersten Forschungseinrichtungen in Europa auch Computersimulationen, die die stetig wachsende Datenmenge und deren reiches Beziehungsgeflecht immer wieder anpassen und aktualisieren können.
 
Archive unter Wasser: Bohren am Seegrund
Unter guten Erhaltungsbedingungen liefern Seesedimente wichtige Informationen über Temperatur-entwicklung, Niederschlagsmengen, Hochwasserereignisse, aber auch über die Pflanzenwelt rund um den See sowie Bergstürze und Murenabgänge. Seen sind erstklassige Sedimentfallen. Pflanzenreste, Blütenstaub, Insekten und Mikroorganismen, Gesteine und viele andere Materialien werden über Luft und Wasser in Seen eingetragen. Ein Teil davon lagert sich in Schichten Jahr für Jahr am Seegrund ab. So entsteht im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende ein wertvolles Archiv, das detailliert Umwelt- und Klimaverhältnisse speichert, bis hin zu den Eingriffen des Menschen in seine Umwelt. 
Die Bohrungen werden durch die Österreichischen Bundesforste, in deren Besitz sich der See befindet, und die Gemeinde Hallstatt unterstützt. 
 
Vielfältige Forschung
Die Seekernbohrungen sind ein wichtiger Teil der Erforschung der jahrtausendealten Wirtschaftslandschaft rund um die Hallstätter Salzbergwerke. 400 m über dem See liegt eine der wichtigsten archäologischen Fundlandschaften Europas. Bereits vor über 3.500 Jahren bauten Bergleute am Hallstätter Salzberg Steinsalz in nahezu industriellem Ausmaß ab. In riesigen Hallen wurde Salz gebrochen und weithin verhandelt. Seit über 100 Jahren forscht das Naturhistorische Museum Wien mit der Unterstützung der Salinen an diesem einzigartigen Platz. Denn der archäologischen Wissenschaft eröffnen sich hier ganz besondere Möglichkeiten. Von der Lebenswelt vergangener Epochen bleiben der Archäologie im Normalfall Objekte aus unvergänglichen Materialien wie Stein, Keramik, Knochen und Geweih. Organisches verrottet in wenigen Jahren. Vollkommen anders im Hallstätter Salzberg, dank der konservierenden Wirkung des Salzes hat sich hier all das perfekt erhalten, was die Bergleute vor Jahrtausenden zurückließen: Werkzeug, Speisereste, menschliche Exkremente, Kleidung, abertausend niedergebrannte Leuchtspäne. Nur mit einer Vielzahl an wissenschaftlichen Disziplinen ist die wissenschaftliche Auswertung möglich. Anthropologie, Archäologie, Botanik, Holzforschung, Geowissenschaften und viele andere Disziplinen ziehen hier gemeinsam an einem Strang.
 
Die 7.000-jährige Salzgeschichte wird aber nicht nur erforscht, sondern der Salzabbau bis heute aktiv betrieben. Die Salinen Austria AG, mit Sitz in Ebensee, zählt zu den führenden Salzherstellern Europas. Mit ihrem Fokus auf Salzspezialitäten führt sie die Tradition des Salzabbaus im Salzkammergut in die Zukunft. Jährlich werden an den Standorten Altaussee, Hallstatt und Bad Ischl vier Millionen Kubikmeter Sole gewonnen, aus denen 1,2 Millionen Tonnen Salz produziert werden!
Die Werksbesichtigung der Salinen Austria AG wird die Pressefahrt mit Blick auf die heutige Salzproduktion abschließen.

Die Hallstatt-Forschung des Naturhistorischen Museums Wien verfügt über einen eigenen Webauftritt und informiert außerdem in zwei Weblogs über Aktuelles: Der Stiegen-Blog gewährt einen Einblick in die Arbeiten rund um die Übersiedlung der über 3.000 Jahre alten Holzstiege aus dem Hallstätter Salzbergwerk.
Die Salzwelten Hallstatt bieten in Kooperation mit dem NHM Wien verschiedene Programme und regelmäßige Sonderführungen rund um das spannende Thema Archäologie an. Infos und Termine zu den „Hallstatt7000“-Programmen auf www.salzwelten.at.
 
Das Projekt wird unterstützt von:
Österreichische Bundesforste
Salinen Austria AG
Salzwelten GmbH
Gemeinde Hallstatt
Gemeinde Obertraun
Österreichische Akademie der Wissenschaften
Universität Innsbruck
Freunde des NHM Wien
Hallstatt, Hipercori(n)g-Hallstatt-History (H3)-Projekt
Bohrinsel
© NHM Wien, Kerstin Kowarik
Hallstatt, Hipercori(n)g-Hallstatt-History (H3)-Projekt
Bohrkerne fertig zum Transport
© UIBK, Julia Rechenmacher
Hallstatt, Hipercori(n)g-Hallstatt-History (H3)-Projekt
Transport ins Labor
© UIBK, Julia Rechenmacher
Hallstatt, Bohrinsel
© NHM Wien, Kerstin Kowarik
Core-Catcher mit dem tiefsten beprobten Sediment
erfolgreiche Bohrung auf 51 m Tiefe unterhalb des Seebodens
© UIBK, Michael Strasser
Hallstatt, Hipercori(n)g-Hallstatt-History (H3)-Projekt
Bohrinsel
© NHM Wien, Kerstin Kowarik
Hallstatt, Hipercori(n)g-Hallstatt-History (H3)-Projekt
Bohrinsel
© NHM Wien, Kerstin Kowarik
Hallstatt, Hipercori(n)g-Hallstatt-History (H3)-Projekt
© NHM Wien, Kerstin Kowarik
Hallstatt, Hipercori(n)g-Hallstatt-History (H3)-Projekt
© NHM Wien, Kerstin Kowarik
Hallstatt, Hipercori(n)g-Hallstatt-History (H3)-Projekt
© NHM Wien, Kerstin Kowarik
Hallstatt, Hipercori(n)g-Hallstatt-History (H3)-Projekt
© NHM Wien, Kerstin Kowarik
  
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