Ansprechperson: Dr. Karina Grömer
Textilien sind ein wichtiger Teil unserer materiellen Kultur. Sie erfüllen ein breites Spektrum an Funktionen. Mit textilen
Handwerkstechniken wurden nicht nur wesentliche Güter des täglichen Bedarfs – allen voran Kleidung – hergestellt, sondern
auch Gebrauchswaren sowie repräsentative Objekte bis hin zu Luxusartikeln. Ihre Herstellung erfordert Geschick und Rohmaterialien
und ist so zeitaufwändig, dass viele textiltechnologischen Fortschritte bis weit in die Neuzeit hinein einen breiten Einfluss
auf Veränderungen in der Wirtschafts- und Sozialgeschichte hatten.
Textilien gehören zu jenen archäologischen Hinterlassenschaften, die relativ selten sind, da sie nur unter besonderen Bedingungen
bis heute überdauern. Dazu zählen etwa die Konservierung im Eis (wie bei "Ötzi", der jungsteinzeitlichen Gletschermumie),
in Mooren, in Salz (z. B. Hallstatt). Textilien können sich auch erhalten, indem sie an metallenen Gegenständen ankorrodieren.
So sind sie etwa in eisenzeitlichen und frühmittelalterlichen Gräbern eine durchaus gängige Erscheinung.
Aktuelle Textilforschungsprojekte
- DFG-Projekte und Projekt der Gerda Henkel Stiftung zu den Salzmännern von Iran (Projektleitung: Thomas Stöllner, Bergbaumuseum Bochum/Ruhruniversität Bochum; Abolfazl Aali, Zolfaghari Museum Zanjan):
2015-2020
- Kleidungsreste aus dem neuzeitlichen Friedhof von St. Pölten/Domplatz (Projekt des Stadtmuseums und der Stadtgemeinde St. Pölten; Projektleitung: Ronald Risy): 2017-2020
- Erfassung der Textilgeräte in den Archiven des Naturhistorischen Museums Wien (Projekt des Naturhistorischen Museums und der Universität Wien; Projektleitung: Ingrid Schierer, Koordination: Karina Grömer):
2018-2022
- Pigmentanalytische Untersuchung römerzeitlicher Polychrombemalung in Noricum und Pannonien (Projekt des Bundesdenkmalamtes und Verein Brunner Heimathaus; Projektleitung: Dr. Robert Krickl und Dr. Eva Steigberger):
2019-2021
Abgeschlossene Textilforschungsprojekte
- EU-Projekt CinBA - Creativity and Craft Production in Bronze Age Europe (Projektleitung: Joanna Sofaer, Universität Southampton, UK): 2010-2013
- FWF-Projekt HallTex FWF: Dyeing techniques of the prehistoric textiles from the salt mine of Hallstatt (Projektleitung: Regina Hofmann-de Keijzer, Universität für Angewandte Kunst, Institut für Kunst und Technologie/Archäometrie
Wien): 2008-2011
- EU-Projekt DressID Clothing and Identitiy - New Perspectives on Roman Textiles (Projektleitung: Michael Tellenbach, Curt-Engelhorn-Stiftung für die Reiss Engelhorn-Museen Mannheim): 2007-2012
Textilien aus Gräbern
Derzeit stehen auch Textilreste aus archäologischen Ausgrabungen von keltischen und frühmittelalterlichen Gräberfeldern im
Fokus der Forschungen.
Obwohl meist die ursprüngliche Farbigkeit aufgrund der Überprägung durch Metallkorrosion nicht mehr erhalten ist, können doch
grundlegende Daten zur Qualität der Stoffe, zu Bindungen erhoben werden. Es können aber auch Musterungen erkannt werden, wenn
sie sich in Struktur, Spinndrehung oder flottierenden Fadensystemen zeigen.
Wichtig sind die Funde aus den Gräbern vor allem durch ihren Kontext an der verstorbenen Person oder an den Beigaben, wo sie
dann als Teile der Kleidung oder als Verhüllungen von Objekten gedeutet werden können.
Textilien aus Hallstatt
Das bronze- und eisenzeitliche Salzbergwerk in Hallstatt bietet durch die vorzüglichen Erhaltungsbedingungen organischer Materialien
einen Blick in die Welt vor 3000 Jahren, der in dieser Form bei den meisten archäologischen Fundstellen nicht möglich ist.
Die ca. 700 Einzelgewebe aus dem Salzbergwerk sind großteils aus Wolle und sind teils extrem fein und sehr hochwertig.
Die Stoffe wurden in der Eisenzeit am Gewichtswebstuhl gefertigt, wobei nicht nur die einfache Leinenbindung gewebt wurde.
Die beliebteste Bindungsart in Hallstatt ist der Gleichgratköper, seltener sind Spitzgrat (oder Fischgrat)köper, oder auch
Panamabindung. In der Hallstattzeit schätzte man offenbar farbige Bänder als Besatz von Gewandkanten, wie dies Ripsbänder
und Brettchengewebe eindrucksvoll zeigen.
In der Bronze- und Hallstattzeit hat man bereits Garne oder auch die fertigen Stoffe künstlich gefärbt (blau, gelb, grün...).
Dies ist in der Eisenzeit besonders in den Streifenmustern und Karomustern sichtbar, die sich aus verschiedenfarbigen Kett-
und Schußfäden ergeben.
In Hallstatt fallen auch die vielen Beispiele von Näharbeiten, und damit für planvolle Schneiderei auf. Die Säume und Nähte
wurden mit großem Geschick ausgeführt, wie eine Ziernaht in blau und weiß eindrucksvoll zeigt. Es sind auch mehr oder weniger
sorgfältige Flickungen mit teils sehr groben Fäden vorhanden, die anscheinend ad hoc vorgenommen wurden. Leider sind die vorgefundenen
Textilreste jedoch zu klein, als dass man das Aussehen der Kleidung rekonstruieren könnte.