Analyse der Tierknochen aus dem Salzbergtal

Bei den Grabungen von 1993-94 stießen die Archäologen unter anderem auf eine zunächst rätselhafte, 20 - 60 cm mächtige Schicht massenhaft angesammelter und dicht gelagerter Tierknochen, die der Archäologisch-Zoologischen Sammlung des Naturhistorischen Museums Wien zur Untersuchung übergeben wurden. Die Knochen stehen im Zusammenhang mit dem Salzbergbau und den seit dem 19. Jahrhundert bekannten Blockwandbecken, in deren unmittelbarer Nähe die hier behandelten Tierknochenschichten ausgegraben wurden. Die Ergebnisse der Analyse zeichnen nun das Bild einer bestens organisierten und hoch spezialisierten Pökelfleischproduktion in großem Umfang.

Identifizierte Tierarten und Skelettteile
Zusammensetzung der Schweineknochen
Interpretation des Fehlens von Skelettteilen
Geschlechtsbestimmung der Schweinekiefer
Schlachtalter der Schweine
Zerlegungsspuren
Überlegungen zum Transport
Alter und Geschlechtsbestimmung bei den übrigen Tierarten


Identifizierte Tierarten und Skelettteile

Wie sich herausstellte, handelte es sich überwiegend um Schweineknochen und noch dazu nur um bestimmte Teile des Skeletts, während andere Abschnitte des Körpers weitgehend oder gänzlich fehlten. Von den mehr als 10.000 bestimmbaren Knochen entfielen 60,5% auf Schwein, 21,5% auf Schaf und Ziege, 17,6% auf Rind und nur ganz wenige auf andere Arten. Allein schon das enorme Überwiegen der Schweineknochen ist ein Merkmal, das den Fundkomplex aus Hallstatt von den allermeisten anderen prähistorischen Siedlungsabfällen Mitteleuropas, in denen meist Rinderknochen überwiegen, absetzt. Als größte Besonderheiten erwiesen sich jedoch die weitgehend unbeschädigte Erhaltung vieler Knochen und das markante Ungleichgewicht der einzelnen Skelettabschnitte. Rund die Hälfte der Schweineschienbeine, aber auch der Mittelhandknochen der kleinen Hauswiederkäuer und der Rinder war unzerbrochen geblieben.
 

Zusammensetzung der Schweineknochen

Unter den am reichlichsten gefundenen Schweineresten fehlten dazu Schädelknochen, Wirbel und Rippen nahezu komplett, dafür lagen die ehemals von viel Fleisch umschlossenen Langknochen der Gliedmaßen, aber auch die eher wertlosen Unterkieferknochen in großer Masse vor. Bei den Schafen und Ziegen gab es wieder besonders reichlich Mittelhand- und Mittelfußknochen, dazu auch die großen Röhrenknochen, während die Knochen des Schädels und des Rumpfes abermals beinahe fehlten. Ein ähnlicher Modus ergab sich auch für das Rind, wobei hier allerdings auch die großen Röhrenknochen, mit Ausnahme der Mittelhand- und Mittelfußknochen, ziemlich zerschlagen waren.
 

Interpretation des Fehlens von Skelettteilen

Eine so ungleichmäßige Verteilung der einzelnen Skelettabschnitte ist unter prähistorischen Siedlungsabfällen nahezu beispiellos. In der Regel finden sich nämlich die einzelnen Körperteile in annähernd gleichem Mengenverhältnis, da die Tiere in den meisten Fällen am selben Ort geschlachtet und verzehrt wurden. Das Fehlen bestimmter Körperteile kann nur erklärt werden, wenn man entweder die Entfernung dieser Teile aus dem Fundort annimmt, oder umgekehrt nur die Anlieferung der reichlich gefundenen Körperteile vom Ort der Schlachtung zur Fundstelle. In Anbetracht der Enge und der für die Viehzucht ungünstigen Lage des Salzbergtals sowie der Spezialisierung seiner Einwohner auf Tätigkeiten im Umfeld des Salzbergbaues scheint letztere Annahme von vornherein wahrscheinlicher.
 

Geschlechtsbestimmung der Schweinekiefer

Die weiteren Untersuchungen konzentrierten sich zunächst auf die am besten belegten Schweine. Besonders die Unterkiefer lieferten nützliche Anhaltspunkte. Da Eber und Sauen sehr verschieden geformte Eckzähne besitzen, ließ sich auf diese Weise der Anteil der Geschlechter ermitteln. Wie sich herausstellte, standen 102 männlichen Kiefern bloß 9 weibliche gegenüber. Abermals ein extremes Ungleichgewicht, wie es in agrarisch ausgerichteten Siedlungen nicht vorzukommen pflegt. Dort überwiegen eher weibliche Tiere. Mehr oder weniger starke Überhänge zugunsten des männlichen Geschlechts – wegen des besseren Geschmacks waren es wahrscheinlich Kastraten – werden dafür aber von der Frühbronzezeit an in Siedlungen gewerblicher Ausrichtung, die von Bauern mit Schweinefleisch versorgt wurden, immer wieder beobachtet.
 

Schlachtalter der Schweine

Die Gebisse gestatten mittels der Zahnwechsel- und Abnützungsfortschritte auch eine Abschätzung der Schlachtalter. Dabei ergab sich ein massiver Schlachtalterschwerpunkt im Bereich zwischen 1½ und 2 Jahren. Sowohl jüngere als auch ältere Schweine fehlten beinahe komplett. Bei primitiven Hausschweinen fällt diese Periode in die Winterzeit. Es handelt sich damit eindeutig um eine Auslese der besten Schlachtalter und der höchsten Fleischqualität. Auch das Fehlen von Ferkeln und alter Schweine ist ein sicheres Zeichen dafür, dass die Tiere nicht an dieser Stelle gezüchtet und gehalten wurden, sondern vom Ort der Tierproduktion ins Salzbergtal gebracht wurden, und zwar nicht lebend, sondern in Form der fleischreichsten Körperteile.
 

Zerlegungsspuren

Die sporadisch vorgefundenen Halswirbel ließen Hackspuren zur Abtrennung des Kopfes erkennen. Ebenso trugen die Unterkiefer regelmäßig Hackspuren durch die Kieferäste in Verlängerung der Mundspalte. Offenbar wurde der Oberschädel auf diese Weise von Unterkiefer und Rumpf getrennt. Die anderen Zerlegungsspuren an den Kiefern lagen weniger regelmäßig. Auch wenn weitere Hinweise auf die Vorgehensweise bei der Zerlegung der Schweinekörper ausblieben, deutet allein schon das Fehlen solcher Spuren an den großen Gliedmaßenknochen darauf hin, dass sie bis zur Verwertung im Verband geblieben waren. Da aber die meisten Knochen des Rumpfs fehlten, muss der Rumpf wohl samt den Eingeweiden quasi „ausgeschält“ worden sein. Übrig blieb ein Fleischmantel ohne Oberschädel, aber mit Gliedmaßen und dem Unterkiefer, der wie ein Haken mit seinen großen Eckzähnen herausragte.
 

Überlegungen zum Transport

Wurde der Fleischmantel auf diese Art etwa aufgehängt auf den Salzberg hinauf befördert? Die Länge eines Hallstätter Schweinekörpers vom Rüssel bis zur Schwanzwurzel betrug ungefähr 110 cm. Schätzt man das Lebendgewicht der noch sehr wildschweinähnlichen Tiere auf rund 85 kg, so blieben für den beschriebenen Fleischmantel mit enthaltenen Knochen noch rund 50 kg Gewicht – eine bei geeigneter Aufhängung etwa auf geschulterten Stöcken durchaus tragbare Last.
 

Alter und Geschlechtsbestimmung bei den übrigen Tierarten

Die Befunde an den anderen Tieren deuten in eine ähnliche Richtung. Auch bei ihnen überwogen Kastraten im besten Schlachtalter bei weitem, während ganz junge und alte Tiere nahezu komplett fehlten. Zusammen mit der ebenfalls sehr ungleichmäßigen Vertretung der Skelettabschnitte lässt sich wieder auf die Anlieferung ausgesuchter Körperabschnitte schließen, die auf dem Salzberg verarbeitet und zum Teil wohl auch verhandelt wurden. All das setzt ausreichend leistungsfähige Viehzuchtbetriebe in den umliegenden Tälern und eine ausgefeilte Logistik voraus, an der aber auf Grund einer Vielzahl erstaunlicher Funde kein Zweifel bestehen kann.

 
: Die Hauptmasse der Funde stellen Unterkiefer und fleischtragende Langknochen vom Schwein dar. (Bild: H. Reschreiter - NHM)
Die Hauptmasse der Funde stellen Unterkiefer und fleischtragende Langknochen vom Schwein dar. (Bild: H. Reschreiter - NHM)
: Eine denkbare Erklärung für die vielen gefundenen Unterkiefer wäre, dass sie als Aufhängung während des Transports dienten. (Bild: K. Löcker - NHM Wien)
Eine denkbare Erklärung für die vielen gefundenen Unterkiefer wäre, dass sie als Aufhängung während des Transports dienten. (Bild: K. Löcker - NHM Wien)
: Darstellung der Häufigkeit der gefundenen Schweineknochen. (Bild: E. Pucher - NHM)
Darstellung der Häufigkeit der gefundenen Schweineknochen. (Bild: E. Pucher - NHM)
: Eine denkbare Erklärung für die vielen gefundenen Unterkiefer wäre, dass sie als Aufhängung während des Transports dienten. (Bild: K. Löcker - NHM Wien)
Eine denkbare Erklärung für die vielen gefundenen Unterkiefer wäre, dass sie als Aufhängung während des Transports dienten. (Bild: K. Löcker - NHM Wien)
  
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